Machen Selbstverteidigungskurse Sinn? Für wen eigenen sie sich, worin liegen die Unterschiede und worauf müssen wir bei der Auswahl achten? All das schauen wir uns genau an, damit wir nicht die Katze im Sack kaufen und das Beste aus dem Training herausholen.
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Selbstverteidigungskurs – ja oder nein?
Viele Frauen scheuen den Schritt, einen Selbstbehauptungs- bzw. Selbstverteidigungskurs zu besuchen. Die Gründe dafür sind so individuell wie vielfältig:
- Ungewissheit: Was erwartet mich?
- Unsicherheit: Bin ich sportlich genug?
- Sorge: Und wenn ich mich blamiere?
- Umfeld: Was denken die anderen darüber?
- Zeitmangel: Wann soll ich das noch schaffen?
- Kinderbetreuung: Wohin mit meinen Kleinen?
- Geldnot: Wie soll ich das bezahlen?
Auf all diese Dinge gehen wir gleich detailliert ein. Doch eines vorab: Ein guter Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurs stärkt das Selbstbewusstsein, unterstützt die persönliche Entwicklung und macht absolut Sinn. Für jede Frau, unabhängig von der Lebenssituation und den körperlichen Voraussetzungen. Unabdingbar hierfür ist jedoch die Wahl des richtigen Kurses – denn damit steht und fällt der Erfolg.
Qualitätsstandards und Kursleiter
Es ist leicht, zu sagen: „Selbstverteidigungskurse für Frauen sind super! Laufen Sie los und melden sich an!“ Wenn es nur so einfach wäre. Leider gibt es weder offiziell einzuhaltende Qualitätsstandards noch einheitliche Ausbildungsvoraussetzungen für Trainerinnen und Trainer. Theoretisch kann also jede(r) solch einen Kurs aus dem Boden stampfen. Dementsprechend reichen die Angebote von gut ausgearbeiteten Konzepten bis hin zu rabenschwarzen Schafen, die uns mit ihren „Tipps“ und Versprechungen im schlimmsten Fall erst richtig in Gefahr bringen.
Welcher Kurs ist der richtige?
Selbstverteidigungskurs ist nicht gleich Selbstverteidigungskurs. Einige konzentrieren sich hauptsächlich auf die kompromisslose Verteidigung gegen Angriffe. Andere haben hauptsächlich die Prävention, das Selbstbewusstsein und die Selbstbehauptung im Fokus – viele vereinen auch beide Module. Zuerst sollten wir uns also überlegen, welche dieser Richtungen wir einschlagen möchten. Bietet eine reine Kampfsportschule den Kurs an, liegt der Schwerpunkt häufig auf der körperlichen Gegenwehr. Bei Kursen von Sportgemeinschaften, der Polizei oder Einrichtungen, die sich mit Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen, eher auf Prävention oder einer Mischform.
Taschenalarm *, verschiedene Modelle
Tactical Lights *, spezielle Taschenlampen zum Blenden von Angreifern
Thrillerpfeife für Notfälle *
Pfefferspray mit Übungskartusche *
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5 Tipps für die erfolgreiche Kurssuche
1) Schwerpunkt festlegen
Soll der Kurs auf Prävention, also vorausschauendes Handeln, bauen? Primär auf Selbstverteidigungstechniken oder auf einer gleichwertigen Kombination aus beidem?
2) Testosteron trifft Östrogen
Bevorzugen Sie als Kursleitung eine Frau, einen Mann oder vielleicht ein gemischtes Team? Das liegt ganz bei Ihnen und ist reine Typsache. Handelt es sich ausschließlich um Trainerinnen, kann es in der letzten Stunde sinnvoll sein, einen Kollegen mit an Bord zu holen. Mit ihm (dem armen Kerl) können wir das Gelernte nochmals ausprobieren – realitätsnahe Konfrontation sollte dabei immer auf freiwilliger Basis erfolgen.
3) Transparenter Kursinhalt
Zumindest das grobe Kursprogramm sollte vor der Anmeldung einsehbar sein, damit wir wissen, was uns erwartet. Nur so können wir beurteilen, ob der Kurs das Richtige für uns ist.
4) Wer sind die Kursleiter?
Versuchen Sie, die Trainerin oder den Trainer vor der Anmeldung kurz kennenzulernen. Informieren Sie sich über ihre Kompetenzen und Ausbildungen. Oft stellen sie sich und ihr Konzept auf öffentlichen Veranstaltungen vor – wie beispielsweise an Tagen der offenen Tür. Eine gewisse Sympathie und Wellenlänge sollte auf jeden Fall vorhanden sein.
5) Realistische Ziele setzen
Ganz wichtig: Wir lernen nichts von jetzt auf gleich. Nehmen Sie Abstand von Versprechungen, Sie in kürzester Zeit zur Kampfmaschine auszubilden. Auch wer damit wirbt, dass Sie sich mit nur einer Technik gegen alle Angriffe verteidigen können, hat primär Marketing und Geld im Kopf anstelle Ihrer Sicherheit. Dieses Vorgehen ist nicht nur unehrlich, sondern untergräbt das Vertrauensverhältnis, bevor es überhaupt begonnen hat.
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Kursinhalte
Welche Inhalte sollte ein Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurs abdecken, um nachhaltig zu wirken? Selbstschutz in der Gesamtheit bedeutet körperliche und seelische Gesundheit. Im hektischen Alltag vergessen wir uns manchmal selbst und funktionieren nur noch. Indem wir das eigene Verhalten beleuchten, unsere Körpersprache, Durchsetzungskraft und natürlich auch die Selbstverteidigung an sich, stärken wir uns mental. Wir finden ein Stück weit zu uns zurück und können so möglichst aufrecht, selbstsicher und zufrieden durchs Leben gehen. Dies sollte ein primäres Kursziel sein. Um das zu erreichen, sind folgende Bereiche besonders wichtig:
- Selbst- und Fremdwahrnehmung
- Selbstbewusstsein/Selbstvertrauen
- Selbstbehauptung
- Körpersprache
- deeskalierendes Verhalten
- Umgang mit Stresssituationen
- Notwehr
- aktive Selbstverteidigung (einfache Techniken!)
- Bewertung von Hilfsmitteln zur Selbstverteidigung wie z. B. Pfefferspray
- Verhaltenstipps in Alltagssituationen
- Berücksichtigung individueller Anliegen
Ein unbestritten umfangreiches Programm, das aber auch eine Menge Spaß macht und so manches Aha-Erlebnis herauskitzelt. Die aktive Verteidigung sollte sich auf einfache Techniken beschränken. Was bringt uns ein Haufen spektakulärer Stunts, von denen wir 90 Prozent wieder vergessen haben, bevor wir zur Tür heraus sind. Denn es braucht viel Übung, um sie zu automatisieren und im Notfall wirklich abrufen zu können.
Kursumfang
Natürlich ist diese Themenvielfalt nicht in ein paar Minuten abgefrühstückt. Der Kurs sollte deshalb mindestens zehn Unterrichtsstunden umfassen, wobei sich idealerweise Theorie und Praxis abwechseln und aufeinander aufbauen. Auch regelmäßige Auffrischungsstunden mit den wichtigsten Wiederholungen sind eine gute Idee und wirken nachhaltiger als ein „Einmalprogramm“.
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Was hält Sie ab?
Zurück zu den Gründen, aus denen viele Frauen von einem Selbstverteidigungskurs absehen. Die Ungewissheit, was uns erwartet, umgehen wir, indem wir uns vorab ausführlich informieren und das für unsere Bedürfnisse passende Angebot heraussuchen.
- Es braucht keine Grundsportlichkeit, um an einem Selbstverteidigungskurs teilzunehmen. Weder für den Aufbau des Selbstbewusstseins noch für die Selbstbehauptung ist sie notwendig. Auch bei der aktiven Verteidigung sind die Übungen in einem guten Kurs so ausgesucht und auf das Nötigste heruntergebrochen, dass jede Teilnehmerin sie erlernen kann.
- Frauen, die einen Selbstverteidigungskurs besuchen, haben ein gemeinsames Ziel – das schafft Verbundenheit ab der ersten Minute. Machen Sie sich keine Sorgen, sondern glauben Sie an sich: Es gibt keine blöden Fragen, nur dumme Antworten.
- Wie andere Leute es finden, wenn wir einen Selbstverteidigungskurs besuchen? Ganz ehrlich? Das kann uns herzlich egal sein, denn wichtig ist nur, was wir selbst darüber denken. Fühlt es sich für uns richtig an, dann ist es das auch.
- Keine Zeit? Nach einem gefühlten 24-Stunden-Tag ruft nur noch das Sofa? Davon können die meisten ein Lied singen. Trotzdem geht es uns oft besser als vorher, wenn wir uns (unter Protest) von der Couch geschält und zum Sport geschleppt oder etwas anderes Aktives getan haben. Das pustet den Kopf frei, verschafft einen Tapetenwechsel und macht zufrieden. Einen Versuch ist es sicher wert!
- Gerade bei alleinerziehenden Frauen ist die Kinderbetreuung tatsächlich ein Problem. Viele Kurse finden wochentags in den Abendstunden statt, was insbesondere mit kleinen Kindern eine Herausforderung bedeutet. Doch es gibt auch Wochenendangebote – vielleicht passt dieses Timing besser in den Zeitplan.
- Finanzieller Engpass? Ein Selbstverteidigungskurs muss nicht zwangsläufig Unsummen kosten. Kampfsportschulen sind tendenziell eher teuer, da sie meist als kommerzielles Unternehmen arbeiten. Fragen Sie in Sportvereinen, bei der Polizei oder bei „Tante Google“ nach. Dort erfahren Sie alles zu den aktuellen Angeboten in Ihrer Stadt.
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ÜBER DIE AUTORIN
Tara Riedman ist Online-Redakteurin, Texterin und Autorin im Unterhaltungs-/Sachbuchbereich. Darüber hinaus leitet sie als freiberufliche Trainerin Selbstschutzkurse für Frauen sowie die von ihr ins Leben gerufenen sicowu-Kurse (sicowu – sicher, cool & selbstbewusst) für Kinder und Jugendliche.
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